Freitag, 10. August 2012

Annette Leos Schmähschrift gegen Erwin Strittmatter




Erwin Strittmatter, ja diesen Schriftsteller mochte ich, wie viele andere DDR-Bürger auch. Schon als Kind gefiel er mir, waren doch seine Bücher nicht engherzig im damaligen kleinbürgerlichen DDR-Mief geschrieben, sondern vermittelten ein freies Lebensgefühl, ganz eingebettet in mitteldeutsche Heimat. „Tinko“, Pony Pedro“, dies waren so ganz Kinderbücher nach meinem Gusto. 

Ja und dann als junger Erwachsener verschlang ich geradezu Strittmatters „Schulzenhofer Kramkalender“ mit seinen so treffend kurzen Naturbeschreibungen die Strittmaters Liebe zu den kleinen Dingen zeigten, den Pflanzen, den Tieren, die seit Jahrtausenden von den anmaßenden Menschen mißachtet wurden. Ein wunderbares Beispiel ist die 84. Geschichte: „Bevor der Mensch war, war der Star (Vogel)...“! (zum Lesen sehr von mir empfohlen)

Strittmatter lebte von 1912 bis 1994. Daß er 1912 geboren wurde, er zwangsläufig in der Nazizeit ein Erwachsener war, dies machen ihm nun heutige selbsternannte Gesinnungs-Inquisitoren zum Vorwurf. Anstatt gegen heutiges Unrecht ihre Stimme zu erheben, gegen faschistische Gesetze in Deutschland, siehe Gesetz zur „Sicherungsverwahrung“, gegen grauenvolle Tierquälerei in der Massentierhaltung oder gegen heutige deutsche Kriegseinsätze, z.B. in Afghanistan, da gefällt man sich in der Pose der Verurteilung von Menschen die vor 70 Jahren in der Blüte ihrer Jahre leben mußten. Was für ein Wahnsinn sich heute zu empören, daß zu Kaisers Zeiten Schwarze "Neger" genannt wurden, aber wenn es um den Kampf gegen heutiges anderes Unrecht geht, das Maul zu halten.

Da hat nun eine 1948 geborene Annette Leo eine "Biografie" über Erwin Strittmatter geschrieben, welches in reißerischer Manier „enthüllt“, daß Strittmatter bei der Wehrmacht war, dort gegen Partisanen eingesetzt war. Na und? Die Zeiten waren eben so, nicht jeder konnte emigrieren, mußte im Land bleiben, dies müßte eigentlich eine Annette Leo, die Tochter von jüdischen Eltern, wissen, denn allein zehntausenden Juden wurde die Einreise in westliche Länder von den dortigen Behörden verweigert. Wer nicht sehr reich war oder über ausländische Beziehungen verfügte, der mußte einfach in Deutschland bleiben und war da natürlich dem Zeitgeist verfallen, so wie die Masse der Menschen auch heute dem Zeitgeist verfallen und Unrecht nicht als Unrecht ansehen. 

Partisanenbekämpfung? Ja die gibt es heute noch immer, da braucht man nur an die Einsätze der israelischen Armee gegen palästinensische Partisanen denken, die natürlich nicht als Partisanen bezeichnet werden, sondern man spricht von "Terroristen", so wie man auch im 2. Weltkrieg von deutscher Seite von "Terroristen" gesprochen hat, in den von Deutschland besetzten Ländern. Je nach Parteinahme sind dieselben einmal Terroristen oder Freiheitskämpfer. Es gäbe also viel zu schreiben zu dem Unrecht unserer Tage, da will man sich aber nicht den Mund verbrennen und schreibt lieber über asbachuraltes Unrecht, denn wer gegen angebliche Nazis ist, der liegt voll auf der Mainstreamlinie. Ja und wenn man dann, wie Annette Leo, recherchiert, daß ein Mann wie Strittmatter zwar weder NSDAP-Mitglied oder SS-Mitglied war, sondern ganz normaler Soldat, so wie alle Millionen deutscher wehrpflichtiger Männer, dann zieht man das anhand von Briefen aus dem Felde in einen Dunstkreis eventueller Kriegsverbrechen, kann es aber nicht belegen, sondern nur vermuten, alles mit dem Vorurteil: „Männer wie Strittmatter waren es, die ihren jüdischen Eltern immer unheimlich blieben.“ (Zitat aus der MZ). Ja und das Mainstreamblatt des Zeitungsmillionärs Du Mont „Mitteldeutsche Zeitung“ heizt dann noch reißerisch an, siehe deren Kulturseite vom 28. Juli 2012 (obiger Scan). Liest man den Artikel genauer, dann entpuppt sich das Ganze als eine Denunzierung Strittmatters ohne Hand und Fuß („Es ist nicht auszuschließen, daß Strittmatter in Slowenien und Griechenland an Gewaltakten gegen Zivilpersonen beteiligt war“) , als wenn bei heutigen Kriegen, von wem immer sie geführt werden, Zivilpersonen geschont werden, oder haben die Amerikaner und Engländer im 2. Weltkrieg nur die Wehrmacht bekämpft? Die Bombenangriffe wo eine Million Zivilisten starben, die sprechen eine andere Sprache. 

Was soll also dieses Buch, dieser Artikel in der „MZ“, soll da nicht der mitteldeutschen Bevölkerung einer der wunderbarsten DDR-Schriftsteller madig gemacht werden, unter dem Motto: er war kein guter Mensch? Und was soll das, dieses Buch eine Biografie zu nennen wo die Jahre von 1945 bis 1994 so gut wie ausgespart werden, Strittmatters wunderbare Bücher kaum Beachtung finden, die größtes Lob verdient hätten, alles sich auf Strittmatters Kriegsjahre fokussiert? Durch solcherlei Schmähschriften werden sich nur einfältige Gemüter beeinflussen lassen. Auf jeden Fall ziehe ich Strittmatters Werke dem vielen Dreck vor, der jetzt einem als große Literatur angedreht wird. 

Die Scans zeigen meine drei Lieblingsbücher von Erwin Strittmatter aus meinem Bücherschrank, letzteres leider ohne Umschlag, es ist das Buch „Schulzenhofer Kramkalender“.  

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